Das einzige Kohlekraftwerk Kroatiens soll vom Netz gehen, doch mit einem neuen Flüssiggasterminal setzt das Land weiterhin auf fossile Energie – mit fragwürdigen Rechtfertigungen.
von Florian Wüstholz (Text) und Martin Bichsel (Bild) – in WOZ Nr. 11/22
Der Kamin des Kohlekraftwerks Plomin ist bereits aus zwanzig Kilometern Entfernung sichtbar. Mit 340 Metern ist er das höchste Bauwerk Kroatiens und steht am Ende einer malerischen Bucht in Istrien. Direkt neben dem Kraftwerk lagern Kohleberge. Dahinter befindet sich eine Deponie für giftige Schlacke. Nur wenige Hundert Meter neben dem Kraftwerk schmiegt sich derweil das Dorf Plomin Luka an die steile Küste. Fischer flicken ihre Netze, Ausflügler*innen geniessen die Sonne – der Kontrast könnte nicht grösser sein.
Seit über vierzig Jahren versorgt das Kohlekraftwerk Plomin Kroatien mit Strom. Zeitweise deckte es über ein Zehntel des Landesbedarfs. Nun scheinen die Tage der Kohlekraft gezählt zu sein – obwohl bis vor kurzem noch Ausbaupläne auf dem Tisch der Regierung lagen. Nachdem 2017 ein Brand den älteren der beiden Boiler funktionsuntüchtig gemacht hatte, sollte dieser für weitere vierzig Jahre durch einen neuen, leistungsstärkeren ersetzt werden.
Viele frühzeitige Todesfälle
Doch die lokale Bevölkerung wehrte sich gemeinsam mit kroatischen Umweltorganisationen gegen diese Pläne. «Ein Neubau in Plomin wäre absolut inakzeptabel», sagt Dusica Radojcic. Die 59-Jährige präsidierte während fast zwanzig Jahren die Umweltorganisation Zelena Istra. «Die Auswirkungen eines solchen Projekts aufs Klima, auf die Umwelt und nicht zuletzt auf die Gesundheit der Menschen wären enorm.» Radojcic zitiert Studien, die zeigen, dass in der Nähe von Plomin aufgewachsene Kinder stärker unter gesundheitlichen Problemen leiden als andere. «In einem gemeinsamen Report mit Greenpeace und Zelena akcija konnten wir zeigen, dass ein neues Kraftwerk in den nächsten vierzig Jahren über 680 frühzeitige Todesfälle verursachen würde.»
Letzten Endes war dieser Kampf erfolgreich. Nach etlichen Protesten, Gerichtsverhandlungen, Kampagnen und Problemen bei der Finanzierung stampfte die Regierung um Ministerpräsident Andrej Plenkovic die Pläne ein. Nun soll auch der zweite noch laufende Boiler 2033 frühzeitig vom Netz gehen.
Doch nicht einmal dreissig Kilometer von Plomin entfernt steht der Beweis, dass fossile Energie in Kroatien noch längst nicht ausgedient hat. Auf der Adriainsel Krk – auf die jedes Jahr 100 000 Tourist*innen strömen – ist seit Anfang 2021 das erste Flüssiggasterminal des Balkans in Betrieb. In unmittelbarer Nähe eines strategischen Öldepots, des pittoresken Küstendorfs Omisalj, einer stillgelegten Petrochemiefabrik und einer römischen Grabungsstätte werden hier nun jährlich 2,6 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas angeliefert, verdampft und mit einer neuen Pipeline aufs Festland transportiert.
«Wollt ihr uns nicht auch gleich noch ein Endlager für Atommüll geben?», fragt Vjeran Pirsic rhetorisch. Der 59-jährige Softwareingenieur und Solarpionier erzählt in seinem Wohnzimmer ausschweifend über die Absurdität, ausgerechnet auf der Insel Krk ein Flüssiggasterminal zu bauen. «Denn die Menschen von Krk haben sich zum Ziel gesetzt, bis in acht Jahren unabhängig von fossilen Energien zu werden.» Zwei Solarkraftwerke und ein Windpark sollen erneuerbare Energie für die knapp 18 000 Bewohner*innen der Insel liefern. Auf Pirsics Dach steht bereits eine kleine Solaranlage, die sein Haus versorgt und die Salzwasserbatterien in der Garage auflädt.
Frackinggas für Ungarn
Doch solche Pläne interessierten die Regierung kaum. Sie boxte das Terminal in wenigen Jahren durch und feierte es als grossen Erfolg. Ein eigenes Flüssiggasterminal sei von strategischer Bedeutung, um die Energieversorgung des Landes sicherzustellen – angesichts der geopolitischen Lage ein mit Vehemenz vorgebrachtes Argument. «Das ist völliger Humbug», lacht Pirsic. «Wir sind bereits gut mit dem europäischen Netz verbunden und haben Alternativen zur Gaslieferung aus Russland.» Auch gemäss Berechnungen der Europäischen Union müsste Kroatien keine Gasknappheit befürchten, falls die Lieferungen aus Russland in Zukunft ausbleiben würden.
Hinzu kommt, dass für die nächsten Jahre fast die ganze Kapazität des Terminals an andere Länder in der Region vermietet wurde. Insbesondere das benachbarte Binnenland Ungarn hat sich einen Löwenanteil gesichert. Nicht zufällig war an der Einweihungsfeier des Terminals nebst Andrej Plenkovic auch der ungarische Aussenminister vor Ort. Dort versuchte der Ministerpräsident, auch die Bedenken um Klima und Umwelt auszumerzen. Das Terminal genüge den «höchsten ökologischen Standards» und verschmutze weder das Meer noch das Umland. Das bezweifelt die Bevölkerung. Beim Verdampfungsprozess auf einem eigens dafür umgebauten Tanker wird Meerwasser stark abgekühlt und Chlor verwendet.
So ist das Gasterminal in Krk für die Umweltbewegung Kroatiens ein Paradebeispiel für fehlgeleitete Investitionen im Angesicht der Klimaerhitzung. Von den 240 Millionen Euro, die das Terminal kostete, übernahmen die EU und der kroatische Staat je 100 Millionen – Steuergelder, die nun in ein wenig zukunftstaugliches, aber sehr umweltschädliches Projekt fliessen.